Neue Kulturen entdecken und Menschen kennenlernen

Stefan Heilmann ist im Masterstudiengang „Europäisches Verwaltungsmanagement" (MEPA) und absolvierte ein Praktikum in Südafrika, um seinen Horizont zu erweitern. Was er alles erlebt hat, verrät er hier in einem Interview.  

Wo und in welcher Organisation hast Du Dein Praktikum absolviert und was waren Deine Aufgabengebiete?

 

Heilmann: Ich machte mein Praktikum für sechs Monate beim Finanzministerium der südafrikanischen Provinz Western Cape. Das Referat, in dem ich haupt­sächlich eingesetzt wurde, war das Budget Office der Provincial Treasury. Hier geht es um alle mögli­chen Fragen des Provinz-Haushaltes. Im Gegensatz zu Deutschland übt das Finanzministerium dort eine starke Aufsichtsfunktion über die Kommunen aus. Praktisch alle Ausgaben der Gemeinden und Bezirke werden vom Finanzministerium überprüft. In diesem Bereich war eine meiner Haupttätigkeiten soge­nannte Socio-Economic Reports zu erstellen, in denen eine Vielzahl von Indikatoren, wie zum Beispiel die Schülerzahl oder auch die Kriminalitätsstatistiken, erfasst sind. Die Arbeit an diesen Berichten bot eine hervorragende Möglichkeit, viel über Südafrika zu lernen. Auch an weiteren Dokumenten, die zur Auf­stellung des Haushaltes notwendig sind, habe ich mit­gearbeitet. Eine weitere interessante Erfahrung war die Teilnahme an einer Dienstreise nach München an das Bayerische Finanzministerium. Der Austausch zwischen den beiden Institutionen war sehr spannend, denn ich musste nicht nur vieles übersetzen, sondern auch verschiedene deutsche Eigenheiten erklären - angefangen von der Speisekarte im Hofbräuhaus bis hin zum Länderfinanzausgleich.

 

Wie kamst Du auf die Idee Dein Praktikum in Südafrika zu machen und mit welchen Erwartungen an das Land und an Deine Praktikumsstelle bist Du angereist?

 

Heilmann: Auf das Praktikum kam ich über Prof. Dr. Gert Fieguth, der gute Beziehungen nach Südaf­rika, besonders eben zum Finanzminister Western Capes, Dr. Ivan Meyer, hat. Der größte Reiz für mich war die Möglichkeit, mal etwas ganz neues kennenzulernen. Bereits im Bachelorstudium habe ich Praktika mit einem starken Bezug zu Europa gemacht, sodass ich jetzt im Masterstudium über den europäischen Horizont hinausschauen wollte. Vor dem Praktikum war ich vor allem gespannt, wie ich als Ausländerin einer südafrikanischen Provinzregierung aufgenommen werden würde. Hier  wurde ich positiv überrascht: Die Offenheit der Südafrikaner ist beeindruckend! Arbeitssprache ist Englisch, ich hatte also kaum Verständigungsschwierigkeiten. Ich war außerdem natürlich interessiert, wie das Zusammenleben in Südafrika nach dem Ende der Apartheid funktioniert. Hier wusste ich im Voraus natürlich, dass es große Ungleichheiten gibt, allerdings war ich dann doch von deren Ausmaß beeindruckt, wobei oft auch nur Geld und nicht nur die Hautfarbe der entscheidende Faktor ist.

 

Klartext: Welche kulturellen Unterschiede konn­test Du zwischen Südafrika und Deutschland bereits feststellen? Was war dabei der größte „critical incident"? Welche interkulturellen Erfahrungen konntest Du somit sammeln?

Heilmann: Wie gesagt: Das Erste, was mir aufgefallen ist, war die Offenheit der Menschen in Kapstadt. In der Arbeit ist es sehr unkompliziert. Man trifft sich recht schnell mit Ministern, Abteilungsleitern und auch mit dem Premier (in etwa Ministerpräsidentin). Außerdem ist vieles sehr spontan, sodass ich oft in die Arbeit gekommen bin in der Erwartung, ganz normal an meinen Projekten zu arbeiten und dann plötzlich in Meetings gerufen wurde oder mit dem Minister zu einem Event gefahren bin. Das bringt Abwechslung in den Arbeitsalltag, was mir sehr gefällt. Auch kommt man in seiner Freizeit leicht in Kapstadt herum. Ich lebte in einem Haus mit zehn anderen Studierenden. Es ist immer etwas los und da Sommer war, fühlte sich jedes Wochenende wie ein kleiner Urlaub an!

Dass ich beim Umgang mit anderen Kulturen mal so richtig ins Fettnäpfchen getreten bin, glaube ich nicht (zumindest wurde es mir dann wohl aus Höflichkeit verschwiegen ...), aber der Kulturunterschied war den­noch spürbar: Wenn ein Südafrikaner sagt „now", kann dies jeden möglichen Zeitpunkt bedeuten. Um­gangssprachlich sagt man deshalb „now now", wenn etwas sofort sein soll. Auf der Arbeit gilt dasselbe für Projekte: Deadlines sind hier keine finalen Termine, sondern eher Zeitpunkte, an denen geschaut wird, wie weit das Projekt schon ist. Wenn man einen Auftrag bekommt, muss auch nicht so bald wie möglich ein Ergebnis geliefert werden, sondern man kann sich im Gegensatz zu Deutschland schon etwas Zeit lassen. Was auch noch hinzu kommt: Südafrika ist ein mul­tikulturelles Land. Es gibt auch nicht nur Weiß und Schwarz, sondern viel mehr verschiedene Kulturen, sodass eigentlich jeder ständig mit interkulturellen Konflikten umgehen muss.

 

Inwieweit haben Dich die Inhalte des MEPAs darauf vorbereitet?

 

Heilmann: Der Masterstudiengang „Europäisches Verwaltungsmanagement" hat natürlich einen starken Fokus auf Themen rund um Europa (EU), wie z.B. Europarecht sowie Institutionen und Politik der EU. Aber auch Interkulturelle Kommunikation, Projekt­management, VWL und wissenschaftliches Arbeiten sind sowohl im Ludwigsburger als auch im Kehler Semester präsent. Vor allem diese Inhalte waren in Kapstadt von Bedeutung. Besonders wichtig war es, sich schnell in ein unbekanntes Themenfeld einzuarbeiten und schnell verschiedene Ergebnisse von guter Qualität zu liefern - eine Fähigkeit, die in diesem Master konsequent gelernt und gefordert wird.

 

Hast Du schon ein Thema für Deine Masterarbeit bzw. welche thematische Richtung schwebt Dir vor?

 

Heilmann: Der Themenbereich für meine Master­arbeit sind die EU-Strukturfonds. Da ein Thema mir schon vor dem Praktikum in Kapstadt vorschwebte (ich hatte die Idee aus einem früheren Praktikum), war es nicht weiter tragisch, dass dieses Praktikum nicht direkt zu einer Masterarbeit geführt hat.

 

Welche Inhalte des Studiums waren für Dich am interessantesten und wo siehst Du Dich beruf­lich nach dem Studium?

 

Heilmann: Bei den vielen verschieden Themen, die der Master enthält, ist es natürlich schwierig, eine absolute Abstufung vorzunehmen. Die Intensivität und Tiefe, mit der Recht und Politik der EU vermittelt werden, finde ich beeindruckend. Außerdem sind Seminare, die mir besonders in Erinnerung bleiben werden, die Entwicklungszusammenarbeit der EU und Migration in Europa. Meine Pläne nach dem Studium sind noch nicht ganz ausgereift. Zurzeit könnte ich mir eine Tätigkeit im Consulting-Bereich zu verschiedenen EU-Themen vorstellen. Aber wie gesagt, sicher bin ich mir noch nicht. 

 

Das Interview führte: Philipp Bauer für Klartext