"Aw bisimila!" - Auslandspraktikum in Mali
"Aw bisimila!", das ist Bambara und heißt so viel wie "Herzlich willkommen!". Das ist tatsächlich wörtlich zu verstehen, denn die Malier sind ein unglaublich gastfreundliches Volk. Bambara ist Malis meist gesprochene Nationalsprache. Wer nun denkt, im Vorfeld eines Auslandspraktikums in Mali müsste man zunächst Bambara lernen, liegt jedoch falsch. Französisch ist als Erbe der Kolonialzeit erhalten geblieben und wird in Mali als Amtssprache auch beherrscht.
Mein Praktikum machte ich am Centre de Formation des Collectivités Territoriales (CFCT). Das CFCT ist als Ausbildungszentrum für die malischen Kommunen das Äquvivalent zu den Hochschulen in Kehl und Ludwigsburg. Kommunalverwaltungen in Mali sind die Verwaltungen der Gebietskörperschaften: 701 Gemeinden, 49 Kreise und acht Regionen. Diese wurden größtenteils erst Ende der 90er Jahreim Rahmen des malischen Dezentralisierungsprozesses gegründet. Die massenhafte Neugründng kommunaler Verwaltungen führte zwangsläufig auch zu einem riesigen Bedarf an gut ausgebildeten Mitarbeitern. Es dauerte allerdings bis zum Jahre 20074, ehe Mali eine langfristige Lösung für den Personalbedarf der Gebietskörperschaften gefunden hatte: die Gründung des CFCT. Hilfe leistete dabei die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GIZ und die Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW). Der Prozess wurde maßgeblich von Prof. Dr. Ewald Eisenberg aus Kehl, Leiter des Vertiefungsbereichs Europa im Bachelorstudiengang, begleitet.
Von Beginn an gab es einen regen Austausch zwischen der CFCT und der Kehler Hochschule. Bisheriger Höhepunkt war im Jahr 2010 der Besuch einer Delegation des CFCT in Kehl. Seit seiner Gründung hat das CFCT bereits über 720 Studierende ausgebildet und umfangreiche Fortbildungen durchgeführt. Trotz dieser stolzen Bilanz stehen das CFCT und auch die malischen Kommunalverwaltungen m Allgemeinen noch am Anfang ihres Entwicklungsprozesses. Beste Voraussetzungen also für ein spannendes Praktikum im Rahmen meines Masterstudiums.
Der Masterstudiengang Europäisches Verwaltungsmanagement ist ein gemeinschaftlicher Studiengang der beiden Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg. Die möglichen Orte für das sechsmonatige Pflichtpraktikum im dritten Semester sind aber nicht auf Europa begrenzt, sondern betreffen auch Einrichtungen in der ganzen Welt, in denen Europa als globaler Player eine Rolle spielt und zur Entwicklung anderer Länder beiträgt. So hatte ich beispielsweise auch Kommilitonen, die ihr Praktikum in Venezuela und Neuseeland absolviert haben.
Ein wichtiger Politikbereich der Europäischen Union ist die Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Auch in unserem Studium gibt es ein Wahlfach für dieses Themengebiet. Das CFCT kooperiert in vielfältiger Weise mit Partnern der EZ aus Europa. Dadurch hatte ich die einmalige Möglichkeit, die Entwicklungszusammenarbeit aus der Sicht des Empfängers kennen zu lernen.
Mali ist aus kultureller Sicht vielfach anders als Europa. Somit konnte ich auch in der interkulturellen Kommunikation viele neue und spannende Erfahrungen sammeln. Ich traf auf manch kulturelle Besonderheit: Männer, die schon mal Hand in Hand gehen; gepflegtes Essen mit der Hand; fastende Kollegen während des Ramadan (die Malier sind zu ca. 80 % Muslime); geringere Trennung zwischen Familie und Beruf oder auch das sehr starke Gemeinschaftsgefühl unter den Kollegen im CFCT. Auf diese kulturbedingten Besonderheiten war ich jedoch vorbereitet. Wir hatten uns bereits im Vorfeld unserer Praktika in einem Vorbereitungsseminar und in einer Hausarbeit mit möglichen kulturellen Unterschieden an unseren Praktikumsplätzen beschäftigt.
Trotzdem gab es auch jede Menge Überraschungen. Von sehr schönen Erlebnissen, wie dem Straßenhändler, der einen auf dem Heimweg spontan auf einen Tee einlädt, bis hin zu weniger schönen, wie den Kakerlaken, die einem schon mal nachts im Bett einen Überraschungsbesuch abstatteten. Auch an meinem Praktikumsplatz gab es Dinge, mit denen ich nicht unbedingt gerechnet hätte. So z.B. tägliche Teamsitzungen pünktlich um 8 Uhr morgens oder Kollegen, die sogar in ihrem Urlaub fast täglich zur Arbeit kommen.
Im CFCT wurde ich sofort in das Team der administrativen und pädagogischen Leitung aufgenommen. Meine Aufgaben waren vielfältig. So hatte ich organisatorische Tätigkeiten, wie die Mitarbeit in Planung und Organisation der Lehrveranstaltungen, aber auch inhaltliche Aufgaben, wie die Überarbeitung und Anpassung verschiedener Lehrmaterialien.
Strategisch und gestalterisch durfte ich mich ebenfalls in die Weiterentwicklung des Ausbildungszentrums einbringen. Die Veranstaltungen des CFCT basieren auf Lehr- und Lernmodulen. Experten aus Wissenschaft und Praxis des jeweiligen Fachgebiets erstellen Textentwürfe, die als Lehrmaterialien verwendet werden. Der pädagogische Fachleiter des CFCT führt dabei sozusagen Regie. Bei einem Gespräch mit meinem Praktikumsbetreuer kam uns die Idee, den jeweiligen Redakteuren einen „Leitfaden für die Ausarbeitung der Modultexte des CFCT" an die Hand zu geben. Dadurch könnten wir Qualität und Homogenität der Modultexte weiter verbessern. Der Generaldirektor war begeistert und übertrug mir sofort die Aufgabe, diesen Leitfaden zu entwickeln.
Die Weiterentwicklung des CFCT bleibt spannend. Für dieses Jahr ist der Umzug in einen neuen großen Gebäudekomplex geplant, an dessen Finanzierung deutsche und europäische EZ beteiligt sind. Dieser wird wie in Kehl die Verwaltungs- und Lehrgebäude, Mensa und Wohnheime räumlich miteinander verbinden. Mit dem Umzug stellen sich wichtige strategische und organisatorische Fragen. Durch mein Praktikum hatte ich die einmalige Möglichkeit, mich an diesem tief greifenden Reflexionsprozess zu beteiligen und meine Ideen einzubringen.
Auch für meine Sprachkenntnisse war das Praktikum ein großer Gewinn, und das nicht nur im Bezug auf Bambara! Mein Französisch ist nun so gut, dass ich mir zutraue, meine Masterthesis auf Französisch zu schreiben.
Bericht von Clemens Schweizer